Freitag, 7. Oktober 2016

Gülle-Havarien sorgen für extreme Nitratwerte im deutschen Grundwasser


Fast zehn Millionen Liter an Tierexkrementen sind 2015 unkontrolliert in die Umwelt geflossen - mit bedenklichen Folgen für das Grundwasser.
Am 6.10.16 berichtete das Bayrische Fernsehen in der Sendung 'quer' (20:15 -21:00 Uhr) über mehrere fatale Unfälle in Bayern, bei denen große Mengen Gülle das Grundwasser verseuchten.
Durchschnittlich alle 3 bis 4 Tage kommt es in Deutschland zu einem Gülle-Unglück.

9,6 Millionen Liter Jauche und Gülle flossen im vergangenen Jahr unkontrolliert in die Umwelt
(laut Angaben des Statistischen Bundesamtes). Insgesamt wurden bundesweit 92 Unfälle registriert. Die Zahl der ungemeldeten, kleinen Umweltverstöße ist nicht bekannt.

Ursprünglich diente Gülle als Düngemittel. Heute verschmutzt sie jedoch in hoher Konzentration Böden und Grundwasser mit Nitrat. Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) hat die Daten nach Regionen ausgewertet und eine 'Karte der Gülle-Havarien in Deutschland' zwischen Juli 2015 und Juli 2016 erstellt.
Genau dort, wo die Zentren der industriellen Massentierhaltung in Deutschland liegen und der Großteil der Gülle anfällt, in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, passieren auch die meisten Gülle-Unfälle.

Nach BUND-Angaben werden allein in Deutschland jedes Jahr mehr als 700 Millionen Rinder, Schweine, Hühner oder Puten gemästet. Dabei entstehen 191 Millionen Kubikmeter Gülle, Jauche und Mist. Das sind fast 200 Milliarden Kilo und weit mehr als auf den Äckern der Megaställe ausgebracht werden kann. Milch- und Fleischbauern müssen daher für das Entsorgen der tierischen Exkremente bezahlen.

In Großenkneten stieß ein Zug mit einem Gülle transportierenden Traktor zusammen. In St. Goarshausen ergossen sich durch ein Leck in einem Transporter 26 Tonnen auf die Hauptstraße. In einem Betrieb in NRW liefen 300.000 Liter Gülle aus - angeblich unbemerkt. In Mecklenburg-Vorpommern wurden mehrere Tausend Liter illegal entsorgt.

In den Niederlanden und anderen EU-Staaten gibt es bereits eine Datenbank für Gülle-Transporte. Der BUND fordert sie Deutschland auch. Ob das hilft? Mehrere Millionen Tonnen Gülle aus den Niederlanden werden zusätzlich auf Äckern in den neuen Bundesländern ausgebracht, für ca. 10 Euro pro 1000 Liter.

Die allerwenigsten Tiere leben artgerecht auf der Weide (Alm). Mit der immer intensiveren industriellen Massentierhaltung nehmen auch die Gülle-Transportmengen zu. Immer mehr Tiere werden auf immer kleineren Flächen zusammengepfercht und mit Soja-Monokulturen aus Südamerika gemästet.

Böden und Grundwasser werden zunehmend mit Nitrat verschmutzt. Die Bundestagsfraktion der Grünen präsentierte Daten, die zeigen, dass inzwischen etwa 30 Prozent des Grundwassers in Deutschland mehr als zulässig mit Nitrat belastet sind, was unsere Wasserwerke vor immense Probleme stellt und ständig steigende Kosten verursacht. Wer schadstofffreies Trinkwasser will, ist darauf angewiesen, es durch eine Umkehrosmosemembran zu filtern oder zu destillieren.

Landwirte und das Landwirtschaftsministerium (erst Seehofer, dann Aigner, jetzt Schmidt) verharmlosen das Problem der Nitratbelastung seit vielen Jahren. Dass mehr gegen die Nitratbelastung des Grundwassers getan werden muss, ist völlig klar. Aber im Bauernverband versuchen einflussreiche Kräfte, das offensichtliche Grundwasser-Problem kleinzureden und wehren sich seit Jahrzehnten gegen die längst überfällige Reform des Düngerechts. Viele Bauern ignorieren die Nitratbelastung des Grundwassers beim Düngen.

Die EU-Kommission hat die schon lang angedrohte Klage gegen Deutschland erhoben, weil die Nitratbelastung des Grundwassers weiter zunimmt. Die Wasserversorger in Niedersachsen und Teilen Bayerns fürchten um ihre Brunnen. Das Umweltbundesamt berechnete, wie viel mehr Stickstoff über Gülle oder Mineraldünger auf die Felder kommt, als mit der Ernte abgefahren wird.
Wissenschaftler im Sachverständigenrat für Umweltfragen und in den Beiräten für Agrarpolitik und Düngungsfragen fordern für das neue Düngerecht viel strengere Regeln als bislang geplant.

Lösungen sind klar ersichtlich:
Präzise Düngung, die nur so viel Stickstoff auf die Felder lässt, wie Pflanzen zum entsprechenden Zeitpunkt aufnehmen können, weniger Tiere pro Fläche, Auflagen für Biogas-Gärreste und transparentere Nährstoff-Bilanzen.

Aber alle Bemühungen von Seiten des Umwelt- und Gesundheitsministeriums prallen bisher stets ab an der Macht der Lobby des Landwirtschaftsministeriums. "Verbraucherschutz"minister Schmidt sieht - wie alle seine Vorgänger von der CSU - seine Aufgabe offenbar darin, die globalen Düngemittelkonzerne und die subventionierten Megastall-Besitzer vor den (lästigen) Verbrauchern zu schützen.
Quelle u. a.: Jan Heidtmann, 25. September 2016

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