Sonntag, 27. September 2020

Kühlung durch mehr Laubbäume in Europa

Mehr Laubbäume in Europa können dabei helfen, die Auswirkungen des Klimawandels abzuschwächen.

Wer an einem heißen Sommertag mit dem Rad in einen Laubwald (wie z. B. im Taunus oder Westerwald) hineingefahren ist, stellte binnen Sekunden fest, dass die umgebende Luft sich plötzlich 5 bis 8 Grad kühler anfühlte als auf der Wiese davor und sogar oft 9 bis 12 Grad kühler als auf einer von der Sonne aufgeheizten, dunklen Stein- oder Asphaltfläche. Das hat mehrere Gründe:
 
Erstens spenden große Laubbäume viel Schatten, so dass die Wärmestrahlen der Sonne den Waldboden und die Luft darüber nicht so stark erwärmen können wie außerhalb des Waldes. Zweitens verdunsten große Laubbäume sehr viel Wasser über ihre Millionen Blätter - durchaus mehr als 200 Liter Wasser pro Baum pro Tag. Und wenn dieses Wasser verdunstet, entzieht es der Umgebung durch die Verdunstungskälte (auch Verdampfungsenthalpie genannt) noch mehr Wärmeenergie.

Wollten wir die Temperatur senken, müssten wir große Wälder pflanzen. Da die enorme Wasserverdunstung großer Laubwälder immense Mengen Wasserdampf erzeugt, bilden sich darüber leichter Wolken, und wenn die sich in der Höhe abkühlen und auskondensieren, fällt Regen, was die Erde wiederum abkühlen lässt, wie wir nach sommerlichen Regenschauern jeweils schnell feststellen. Die alte Volksweisheit: Ohne Wald kein Wasser und ohne Wasser kein Wald. Und wenn beides fehlt, entsteht trockene Hitze. Ist der Boden aber erst einmal trocken, weil die Bäume agbeholzt oder abgebrannt wurden, wachsen ohne genügend Grundwasser keine neuen Bäume mehr. Die Folge: Das Land wird zur Steppe oder Wüste.

Das Fazit einer gemeinsamen Studie von ETH, WSL und Meteoschweiz, überrascht daher niemanden:
"Insbesondere während Hitzeperioden reduzieren Laubbäume die Temperaturen an der Erdoberfläche deutlich."
Was die Forscher der ETH Zürich, der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) und Meteoschweiz genau ermittelten war der Unterschied von Laubwäldern zu Nadelwäldern.

Sie konnten zeigen, dass Laubbäume Oberflächentemperaturen während extremer Hitzephasen deutlich stärker reduzieren als Nadelbäume. Ein statistischer Vergleich von Nadel- und Laubwäldern, basierend auf zeitlich und räumlich hochaufgelösten Satellitendaten, bestätigte dies in nahezu ganz Europa. Die Oberflächentemperatur von Laubwäldern liegt dabei je nach Region zwischen 0.5-1.8°C niedriger als die Temperatur von Nadelwäldern.  
Laubbäume verdunsten und reflektieren mehr.
"Zurückführen lässt sich der Kühlungseffekt unter anderem darauf, dass Laubbäume eine höhere Albedo aufweisen als Nadelbäume", erklärt Jonas Schwaab, Postdoc am Institut für Atmosphäre und Klima (IAC). "Das bedeutet, dass Laubbäume mehr Sonnenlicht reflektieren und damit weniger Energie an der Erdoberfläche in Wärme umgewandelt wird".

Bereits durchgeführte Studien zeigen, dass Laubbäume während der Vegetationszeit im allgemeinen mehr Wasser verdunsten als Nadelbäume. Dadurch entsteht ein Kühlungseffekt. Natürlich weisen die Forschenden darauf hin, dass es weiterer Studien bedarf, um die Ursachen des beobachteten Kühlungseffektes noch besser zu verstehen. "Insbesondere sollten auch die Eigenschaften unterschiedlicher Baumarten und nicht nur generelle Unterschiede zwischen Laub-​ und Nadelbäumen berücksichtigt werden", betont Edouard Davin, der Leiter des Projekts CLIMPULSE, in dessen Rahmen die vorliegenden Resultate veröffentlicht wurden.

Die Resultate sind relevant für Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel. Es könnte sinnvoll sein, den Anteil an Laubbäumen in Wäldern und in Ortschaften zu erhöhen, um die Auswirkungen der Klimaerwärmung abzuschwächen. "Eine Erhöhung des Laubwaldanteils macht insbesondere dort Sinn, wo beispielsweise menschengemachte Fichtenmonokulturen dominieren, die schlecht an die vorherrschenden Standortbedingungen angepasst sind", sagt Peter Bebi, Leiter der Forschungsgruppe Gebirgsökosysteme am WSL-​Institut für Schnee-​ und Lawinenforschung (SLF) und Koautor der Studie. Bei Massnahmen zur Veränderung des Waldes gilt es jedoch, nicht nur die Auswirkungen auf das Klima zu berücksichtigen, sondern auch viele weitere Faktoren, wie beispielsweise die Biodiversität oder den Schutz vor Naturgefahren.

Wer 2020 im Taunus, im Westerwald, im Hunsrück, in der Eifel, im Bergischen Land, im Sauerland, im Harz ... unterwegs war, hat allerdings bereits rundum gesehen, dass das Thema "menschengemachte Fichtenmonokulturen" in den Forsten  dieser Regionen bereits ein vergangenes ist, denn hier sind bereits Milliarden Fichten unwiderbringlich abgestorben. Hier ist die Beseitigung der Fichtenleichen das dominierende Thema.

Schwaab, J., Davin, E.L., Bebi, P. et al. Increasing the broad-​leaved tree fraction in European forests mitigates hot temperature extremes. Sci Rep 10, 14153 (2020). doi: 10.1038/s41598-​020-71055-1

Quelle: Eidgenössische Technische Hochschule Zürich 2020

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