Freitag, 2. August 2019

Treibende Kräfte: Was wir von Bäumen lernen können



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Verwurzelte Gedanken

Bäume haben bis heute nur deshalb überlebt, weil sie eine enorme Widerstandskraft und genetische Vielfalt innerhalb einer Art aufweisen. „Fest und stark ist nur der Baum, der unablässig Winden ausgesetzt war, denn im Kampf festigen und verstärken sich seine Wurzeln“, schrieb schon der römische Philosoph Seneca. Wo sich Bäume wieder erneuern, erleben sich auch die Menschen als selbst regulierendes Prinzip. Sobald die ersten Wurzeln eines Baumes ins Erdreich dringen, sind der Samen und sein Schicksal mit diesem einzigen Ort verbunden. Hier beschafft er sich alles Notwendige, um zu gedeihen und zu überleben. Bäume haben die Fähigkeit, sich unerwarteten Herausforderungen anzupassen und extrem lange Zeiträume zu überdauern. Und sie bauen vor: So ist ihr Protoplasma voll mit Energievorräten und Substanzen, die andere Organismen anziehen. Selbst wenn sie ihre gesamte Stoffwechseltätigkeit eingestellt haben, stürzen sie nicht um. Sie bleiben als Baumstumpf stehen.

Der Begriff Nachhaltigkeit kommt aus der Forstwirtschaft und wurde 1713 erstmals von Oberberghauptmann Hannß Carl von Carlowitz verwendet. Er beinhaltet die Maxime, dass nur so viel Holz pro Periode geschlagen werden darf, wie auch nachwachsen wird. Wer einen Wald bewirtschaftet, darf zwar Bäume fällen und verkaufen, muss aber auch wieder neue anpflanzen für die nächsten Generationen.
Es lohnt, in diesem Zusammenhang Ernst Jüngers Aufsatz „Der Waldgang“ von 1951 zu lesen, dessen erster Satz lautet: „[E]s ist keine Idylle, die sich hinter dem Titel verbirgt.“ Dahinter steckt eine geistige Haltung, die wieder zu den Wurzeln der eigenen Stärke führt: „In unserer Lage sind wir verpflichtet, mit der Katastrophe zu rechnen und mit ihr schlafen zu gehen, damit sie uns nicht zur Nacht überrascht. Nur dadurch werden wir zu einem Vorrat an Sicherheit gelangen, der das vernunftgemäße Handeln möglich macht.“ Die Etymologie des englischen Wortes true (wahr) führt zurück zum alten englischen Wort für tree (Baum): Wahrheit war für die Angelsachsen nichts anderes als ein tief verwurzelter Gedanke.

So führt uns ein Förster zu unseren Wurzeln

Der Förster und Autor Peter Wohlleben wollte schon als Sechsjähriger Naturschützer werden. Nach einigen Jahren als Büroleiter eines Forstamtes wurde er in die Wälder der Eifelgemeinde Hümmel versetzt, die sein berufliches Zuhause wurden. Da er feststellen musste, dass die klassische Forstwirtschaft unsere Wälder ausbeutet statt schützt, begann er gemeinsam mit den Waldbesitzern, nach nachhaltigen Wegen zu suchen, die Ökologie und Ökonomie in Einklang bringen. Wälder sind nicht nur „Holzfabriken und Rohstofflager“, sondern enthalten die Wurzeln unseres Lebens.
In seinen Publikationen führt er viele aktuelle wissenschaftliche Ergebnisse an, die hoffen lassen, „dass das geheime Leben der Wälder weiterhin stattfindet und auch unsere Nachfahren noch staunend zwischen den Bäumen spazieren können“. Weil Peter Wohlleben darüber „ungebunden“ erzählen wollte, kündigte er im Oktober 2006 seine Beamtenstelle auf Lebenszeit bei der Forstverwaltung und wurde in ein Angestelltenverhältnis der Gemeinde übernommen. So konnten neue Ideen in Ruhe reifen und umgesetzt werden: ein alter Buchenwald wurde unter Schutz gestellt, indem er zu einem Urnenfriedhof „umgewidmet“ wurde. Auch Survivaltraining und Blockhüttenbau sind für ihn neue „Formen einer Waldführung“. Dieser berufliche Wandel ermöglichte ihm, nun erfolgreich Bücher zu schreiben.

„Nomen est omen" ist angeblich ein Zitat des römischen Komödiendichters Plautus (250 – 184 v. Ch.) und bedeutet frei übersetzt: „Der Name ist Zeichen" oder auch „Der Name ist Programm". Wohlleben! In seinem Buch „Das geheime Leben der Bäume“ zeigt er, wie wir die Kraft der Bäume nachhaltig für unser Leben nutzen können, aber auch, dass ein gesunder Wald wesentlich produktiver ist (und sogar höhere Einnahmen bedeutet).

Die wichtigsten Erkenntnisse des Buches lesen sich wie eine kleine Geschichte der Nachhaltigkeit:

• Ein Baum ist immer nur so gut wie der ihn umgebende Wald.

• Jeder Baum zieht genau einen Nachfolger groß, welcher seinen Platz einnehmen wird.

• Bäume leben in einem inneren Gleichgewicht und teilen sich ihre Kräfte sorgfältig ein, um alle Bedürfnisse zu erfüllen.

• Bäume sind soziale Wesen, die ihre Nahrung mit Artgenossen aufteilen und zuweilen sogar ihre Konkurrenz „hochpäppeln“. Zusammen schaffen sie ein Ökosystem, das Hitze- und Kälteextreme abfedert, Wasser speichert und sehr feuchte Luft erzeugt. In solch einem resilienten Umfeld können Bäume geschützt leben und sehr alt werden.

• „Befreundete“ Waldpaare achten darauf, keine zu dicken Äste in Richtung des anderen auszubilden. Sie sind so innig über das Wurzelwerk verbunden, dass sie oft sogar gemeinsam sterben.

• Gepflanzte Forste (die meisten Nadelwälder Mitteleuropas) verhalten sich oft wie Straßenkinder: „Da durch die Pflanzung die Wurzeln dauerhaft beschädigt werden, scheinen sie sich kaum noch zu einem Netzwerk zusammenzufinden. Die Bäume solcher Forste treten in der Regel als Einzelgänger auf und haben es dadurch besonders schwer.“

• Wer zu gierig ist und zu viel nimmt, ohne selbst zu geben, beraubt sich seiner eigenen Lebensgrundlage und stirbt aus.

• Die Wurzel ist der wichtigere Teil des Baumes, da hier möglicherweise sein „Gehirn“ sitzt. Der „zähe Baum“ sorgt vor und steckt von Anfang an wesentlich mehr Energie in den Ausbau seines Wurzelwerks als andere Arten.

• Für eine schnelle Nachrichtenverbreitung sind in den meisten Fällen Pilze zuständig, die wie die Glasfaserleitungen des Internets agieren („Wood-Wide-Web“).

• Pilze „denken“ weiter als ihre großen Partner, in der jede Art gegen die anderen kämpft.

• Bäume kommunizieren geruchlich, optisch und elektrisch (über eine Art Nervenzellen an den Wurzelspitzen). Leider ist unseren Kulturpflanzen die Fähigkeit sich mitzuteilen durch Züchtung großenteils abhandengekommen.

• Schlafentzug ist bei Bäumen wie beim Menschen lebensgefährlich. So können in Töpfe gepflanzte Eichen oder Buchen in Wohnzimmern nicht überleben.

• Der tote Baum-Körper ist für den Kreislauf des Waldes nach wie vor unverzichtbar: Der Stamm zerbröselt langsam und wird durch verschiedene Arten in immer kleinere Stückchen geraspelt und gefressen und „dabei Zentimeter um Zentimeter tiefer in den Boden eingearbeitet. Den letzten Rest besorgt der Regen, der die organischen Überreste einschwemmt“.


Eine Rezension des Wohllebens Bestseller-Buchs von Rudolf A. Schnappauf lesen Sie unter dem Titel:
Das aktuelle Baumsterben verstehen und lernen, damit umzugehen

im Blog von Wasser-hilft:

https://wasser-hilft.blogspot.com/2019/07/das-aktuelle-baumsterben-verstehen-und.html

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Was Unternehmen von Bäumen lernen können

Bäume haben die treibende Kraft der Kooperation, die ebenso stark ist wie der Wettbewerb. Bei Bäumen wird dies durch zellulare Organellen und Mehrteiligkeit belegt. Sie sind Gemeinschaftswesen, die in großen Gruppen zusammenwachsen, pflegen Beziehungen, setzen sich für das gemeinsame Wohl ein, sind bei aller Geselligkeit aber auch zutiefst individualistisch. Das zeigt sich darin, dass sie sich immer dann, „wenn es um Tod oder Leben geht, instinktiv zugunsten des eigenen Überlebens oder des Überlebens seiner Nachkommen“ entscheiden. In dieser Beziehung stellen Bäume ein geschlossenes System dar. Dies weisen David Suzuki und Wayne Grady in ihrem Buch „Der Baum. Eine Biografie“ nach. Es zeigt zwar keine Unternehmensbezüge, lädt aber dazu ein, sie gedanklich herzustellen. Bäume werden zudem häufig als Motiv in der Nachhaltigkeitskommunikation genutzt. Als Klischee werden sie immer dann wahrgenommen, wenn die „Biografie“ des Unternehmens mit seinen Wurzeln nicht erkennbar ist, oder wenn sie keinen Bezug zu den angebotenen Produkten haben. Wer aber die Geschichte „dahinter“ mitliefert, ist auch stark im Gedächtnis seiner Kunden verankert.


Zum Trost

Auch wenn ein Baum vorzeitig den Lebenskampf aufgeben muss und in einem Sturm abbricht, so hat er dennoch Wertvolles für die Gemeinschaft geleistet. Das kann auch ein Trost für alle sein, die um den Autor und Publizisten Roger Willemsen trauern, der zu einem Teil für andere Menschen gelebt hat und davon überzeugt war, dass jedes Leben dadurch besser wird, wenn man es auch für andere lebt. „Und wenn man so privilegiert lebt wie ich und eine Öffentlichkeit finden kann und dazu noch im Bereich der Kommunikation arbeitet, also schreibt, dann sollte man um Himmels Willen irgendwas tun, das anderen hilft. Das ist eine Pflicht“, sagte er in seinem letzten Interview (Domradio 15. August 2015).

Mit Peter Wohlleben verband ihn auch der Wunsch, Förster zu werden, denn seine „ersten Wahrnehmungen der Außenwelt sind solche der Natur gewesen“. Er sammelte Pflanzen in Botanisiertrommeln, Tierskelette, Mineralien - und als Autor „Stilblüten“. Seine Bücher werden bleiben und ihre Botschaft wird sich „natürlich“ ausbreiten wie Bäume, deren Bedeutung für Bäche auch nach dem Tod nicht abnimmt. Wohlleben zum Trost: „Stürzt etwa eine abgestorbene Buche quer über das Bachbett, dann bleibt sie dort für Jahrzehnte liegen. Sie wirkt wie ein kleiner Staudamm und sorgt für winzige Stillwasserbereiche, in denen sich Arten halten können, die keine starke Strömung vertragen.“

Weitere Informationen:

Menschen über Bäume. Gedanken, Begebenheiten und Anekdoten aus vier Jahrtausenden. Zusammengestellt und herausgegeben von Dietmar Olonscheck. Oekom Verlag, München 2017.

Michael Pollan: Meine zweite Natur. Vom Glück, ein Gärtner zu sein. Aus dem Amerikanischen von Eva Leipprand. Oekom Verlag München 2014.

Sächsische Hans-Carl-von-Carlowitz-Gesellschaft (Hg.): Bausteine der Nachhaltigkeit. Carlowitz weiterdenken. Oekom Verlag, München 2016.

Insa Wilke (Hg.): Der leidenschaftliche Zeitgenosse. Zum Werk von Roger Willemsen. S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2015.

Peter Wohlleben: Das geheime Leben der Bäume. Was sie fühlen, wie sie kommunizieren – die Entdeckung einer verborgenen Welt. Ludwig Verlag München 2015.

Alexandra Hildebrandt und Claudia Silber: Gut zu wissen... wie es grüner geht: Die wichtigsten Tipps für ein bewusstes Leben von Amazon Media EU S.à r.l. Kindle Edition 2017.

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